Fassadendämmung wird zum Brandbeschleuniger

Wirtschaftswoche Januar 2013

Der Brand in Frankfurt machte Schlagzeilen und drängte auch die Wärmedämmbranche in die Defensive.

Denn Kritiker machten für die dramatische Brandentwicklung vor allem die Dämmstoffe auf den Außenwänden verantwortlich. Hauptkritikpunkt ist dabei der Dämmstoff Expandiertes Polystyrol (EPS), landläufig auch als Styropor bekannt.

Das Material wird aufgrund von Kostenvorteilen und guter Verarbeitbarkeit laut Branchenverband in 80 Prozent der Wärmedämmverbundsysteme verwendet. Polystyrol ist laut DIN schwer entflammbar. Das heißt, es ist grundsätzlich brennbar, wenn es auch nicht so leicht Feuer fängt wie Holz oder andere Baustoffe.

Ausgelöst hatte das Großfeuer ein Stapel EPS-Dämmstoff, der vor dem Haus in Brand geraten war.

 

In einer Präsentation eines Frankfurter Branddirektors auf einer Fachplanertagung Brandschutz wurde nun, fast ein Jahr nach dem Frankfurter Großfeuer Resümee gezogen. Feuerwehr und Brandschutzexperten gelangten zu der Erkenntnis: Brände dieser Art werden zunehmen, die eingebauten Feuersperren - auch Brandriegel genannt - sind unter Umständen wirkungslos und untere schlechteren Rahmenbedingungen könnte es schlimmer ausgehen.

Während in den Fällen von Berlin und Delmenhorst Fachleute und Industrievertreter darauf abstellen konnten, dass das Dämmmaterial nicht den Vorschriften entsprach und auch nicht fachgerecht angebracht war, lag der Fall in Frankfurt etwas anders. Dort waren die Dämmstoffe korrekt verbaut und auch zugelassen. Auch die Brandriegel waren korrekt angebracht. Einzig die Tatsache, dass das Gebäude noch nicht vollständig fertiggestellt war, sprach für eine erhöhte Brandgefahr. 

 

Schutzmaßnahmen unzureichend


Franz Schächer, Ingenieur für Baustatik und Brandschutz war jedoch beim Brand in Frankfurt als Fachberater vor Ort. Er stellte sich nach dem Ereignis die Frage, ob es bei den Polystyrol-gedämmten Fassaden ein systematisches Problem gibt.

"Jeder brennbare Stoff ist ein Risiko, man muss ihn nur zünden", sagt Schächer. "Das gefährliche an Polystyrol ist, dass dieser Dämmstoff zu 90 Prozent aus Öl besteht. Bei einer Erhitzung über 130 Grad Celsius treten Gase aus und es bilden sich Tropfen. Gibt es eine Zündflamme, brennt es lichterloh. Die brennende Flüssigkeit kann sich dann wie ein brennender Ölsee auf den Brandriegeln hinter der halbzentimeterdicken Putzschicht sammeln, bis diese aufbricht und das Feuer am Gebäude runterläuft. Die Brandriegel sind dann nutzlos."´


Dabei galten gerade die Brandriegel, die laut Vorschrift aus einer zwanzig Zentimeter hohen Lage Mineralwolle bestehen, als wichtiger Schutz vor einer Brandausbreitung. Hartschaumhersteller und Fachverband Wärmedämmverbundsysteme verwiesen bei bekannten Brandfällen - insbesondere im Berliner Fall - immer wieder darauf, dass die Baubestimmungen diesbezüglich nicht eingehalten wurden. Auch das Doppelhaus in Ketsch hatte offenbar keine Feuersperren eingebaut. Vorgeschrieben sind die Streifen aus nicht brennbarem Material vor allem über Fenstern, damit Flammen bei Zimmerbränden nicht das nächsthöhere Geschoss erreichen. Bei mehrgeschossigen Bauten müssen sich die Brandriegel alle zwei Stockwerke über die gesamte Breite des Gebäudes erstrecken.